Gordon-Modell KommunikationKommunikation und Konfliktlösung 

Ein Schüler von Carl Rogers, Thomas Gordon, hat aufbauend auf der humanistischen Psychologie ein Kommunikationsmodell zur Konfliktlösung, das Gordon-Modell, entwickelt, das Beziehungen verbessert, Belohnung und Bestrafung ablehnt und Konflikte so löst, dass es keine Sieger und Verlierer gibt, sondern alle Beteiligten gewinnen!

„Die Gedanken und Gefühle eines anderen völlig zu verstehen, einschließlich der Bedeutungen, die sie für ihn besitzen, und von diesem Menschen wiederum vollkommen verstanden zu werden, das ist eines der lohnendsten und allzu seltenen menschlichen Erlebnisse.“

Carl Rogers

Ich bin zur Kursleiterin der Familienkonferenz von Thomas Gordon ausgebildet und arbeite mit diesem Modell schon lange und erfolgreich im Unterricht!

Das Gordon-Modell lässt sich auf alle Beziehungen und somit auch auf die Lehrer-Schüler-Beziehung übertragen. Ein paar Einblicke möchte ich Ihnen geben:

1. Aktives Zuhören

Schüler hat ein Problem

Es kommt im Unterricht vor, dass Schüler durch ihr Verhalten zeigen, dass sie ein Problem haben, sei es, dass sie nicht geübt oder sich gerade mit der besten Freundin gestritten haben. Die daraus resultierenden negativen Gefühle wie Ärger oder Angst verhindern eine Konzentration auf die Unterrichtsinhalte – gelernt wird nur in einer entspannten Atmosphäre. Beziehung geht immer vor Erziehung und so ist es wichtig, das Problem des Schülers, das ihn gerade so beschäftigt, und seine dahinter liegenden Bedürfnisse zu erkennen. Durch aktives Zuhören spiegelt der Lehrer die Gefühle und Gedanken des Schülers ohne zu bewerten und oder zu urteilen.

Entschlüsseln und spiegeln

Botschaften von Menschen sind oft verschlüsselt und enthalten ihnen zugrunde liegende Bedürfnisse, zu deren Entschlüsselung das aktive Zuhören ein geeignetes Werkzeug ist. Wenn im Unterricht der Schüler ein Problem hat, versucht der Lehrer, die Botschaften des Schülers zu dekodieren und gibt über das aktive Zuhören eine Rückmeldung über das, was er verstanden hat. Der Schüler reagiert auf diese Rückmeldung und stimmt zu oder auch nicht. Der Lehrer reagiert erneut mit aktivem Zuhören. So kommt der Schüler seinen Gefühlen und Bedürfnissen auf die Spur. Er erfährt Annahme und Empathie, wird quasi auf sich selbst zurückgeworfen und ist in der Lage, sein Problem zu reflektieren und Lösungen zu finden. Gleichzeitig erfährt auch der Lehrer mehr über die Bedürfnisse des Schülers und die Beziehung wird gestärkt.

Ein Beispiel

S.: sitzt sichtbar abgelenkt im Unterricht und arbeitet nicht wie sonst konzentriert mit

L.: „Du bist heute mit den Gedanken ganz woanders, oder?“

S.: „Ja!“

L.: „Dir fällt es sehr schwer, dich zu konzentrieren?“

S.: „Ja, ich denke dauernd an meine Freundin, die blöde Kuh!“

L.: „Du bist richtig sauer auf deine Freundin!“

S.: „Oh ja! Sie hat heute in der Pause nicht mit mir gespielt, sondern mit einer anderen Freundin!“

L.: „Und du fühltest dich allein gelassen?“

S.: „Genau! Ich stand die ganze Zeit alleine am Zaun!“

L.: „Das hat dich sehr gekränkt, nehme ich an!“

S.: „Sehr, und ich werde nie, nie mehr mit ihr spielen!“

L.: „Du bist so sauer, dass du nie mehr mit ihr spielen willst!“

S.: „Ja. Am liebsten würde ich die Schule wechseln!“

L.: „Du willst sie am liebsten überhaupt nicht mehr sehen!“

S.: „Genau.“ überlegt „Nur ist das ja auch blöd – eigentlich mag ich sie!“

L.: „Du magst sie eigentlich, weißt aber nicht, wie du jetzt mit ihr umgehen sollst?“

S.: „Ja. Keine Ahnung!“

L.: „Du fühlst dich ganz ratlos!“

S.: „Vielleicht könnte ich ihr das morgen sagen!“

L.: „Du meinst, das vielleicht eine Lösung darin bestehen könnte, dass du morgen mit ihr sprichst?“

S.: „Ja! Ich überlege mir das noch! Jetzt können wir weitermachen!“

Schüler erfährt Annahme/löst ggf. das Problem

Dieses Beispiel zeigt, dass es sich lohnt, Zeit aufzuwenden, um dem Problem des Schülers auf die Spur zu kommen. Der Lehrer tröstet nicht, gibt keine Ratschläge oder reagiert abwehrend. Er deutet oder interpretiert auch nicht das Verhalten oder die Person des Schülers (z.B.: „die ist ja sowieso manchmal zickig, kein Wunder, dass sie soziale Probleme hat….“). Er gibt einfach wieder, was er verstanden hat, gerade auch auf emotionaler Ebene. Dazu nimmt er eine offene, empathische und positive Grundhaltung ein.

Der Schüler fühlt sich angenommen und ist daher in der Lage, selbst eine Lösung zu finden. Sein Selbstbewusstsein, seine Selbstreflexion und Problemlösekompetenz werden gestärkt. Er kann sich nun konzentrieren und im Unterricht mitarbeiten. Zudem ist die Lehrer-Schüler-Beziehung ein gutes Stück gewachsen (soziales Lernen). Hätte der Lehrer den Schüler aufgefordert, er solle sich jetzt endlich zusammenreißen und mitarbeiten, wäre das Ergebnis Unverständnis, mangelnde Akzeptanz und eine schlechtere Lehrer-Schüler-Beziehung gewesen. Vermutlich wäre der Schüler weiterhin nicht in der Lage gewesen, sich zu konzentrieren.

Kommunikationssperren

Das Gordon-Modell ist durchaus eine gesellschaftliche Herausforderung , indem es althergebrachte Vorgehensweisen wie Rat und Trost in solchen Situationen ablehnt. Sie wirken ebenso wie Drohungen, Befehle etc. als Kommunikationssperren, die die wahren Ursachen für das Problem nicht erkennbar werden lassen und Selbstreflexion verhindern. Der Schüler wird nicht angenommen in seinen Gefühlen und Problemen, was zu weiteren Problemen führen kann und die Unterrichtssituation nicht verbessert.

Es lohnt sich sehr, Aktives Zuhören in solchen Fällen anzuwenden, benötigt allerdings eine Haltung, die den Schüler in seinen Gefühlen vorbehaltlos annimmt und ihm zutraut, sein Problem selbst zu lösen.

2. Ich-Botschaften 

Lehrer hat ein Problem

Im vorangegangenen Beispiel kann der Lehrer den Dialog auch mit einer Ich-Botschaft beginnen, wenn ihn das Verhalten des Schülers sehr stört  (z.B.: „Ich bin überrascht/wundere mich/ärgere mich, dass du mir heute nicht so aufmerksam zuhörst wie sonst – ich musste mich schon mehrmals wiederholen!“).

Dreiteilige Ich-Botschaft

Denn in der Lehrer-Schüler-Beziehung kann auch der Lehrer ein Problem haben! Sei es, dass der Schüler nicht zur vereinbarten Zeit erscheint, zu wenig übt, gelangweilt im Unterricht sitzt ….. . Die Bedürfnisse des Lehrers sind ebenso wichtig wie die des Schülers und so wird er eine dreiteilige Ich-Botschaft formulieren, die (1) sein Gefühl ausdrückt, (2) das Verhalten des Schülers ohne Wertung beschreibt und (3) die Folgen benennt, die dieses Verhalten für den Lehrer hat.

Ein Beispiel

L.: „(1)Ich bin wirklich frustriert und verärgert, dass (2) du zum dritten Mal hintereinander dieses Stück nur sehr stockend spielen kannst. (3) Ich habe mich auf diese Stunde gut vorbereitet und kann nun nicht das mit dir machen, was ich mir ausgedacht und worauf ich mich gefreut hatte!“

Natürlich sind die Folgen für den Lehrer (3) individuell sehr verschieden.

Ich-Botschaften statt Du-Botschaften

Der Lehrer drückt das für ihn unakzeptable Verhalten des Schülers so aus, indem er sich nur auf sich, seine Bedürfnisse und Gefühle konzentriert und den Schüler nicht persönlich durch Du-Botschaften „Du bist...“ attackiert und beurteilt. Der Schüler fühlt sich deutlich weniger angegriffen und ist eher bereit, das Bedürfnis des Lehrers zu akzeptieren.

Gleichzeitig zeigt sich der Lehrer als Mensch mit eigenen Gefühlen und Wünschen, der diese ehrlich, offen und klar äußert und den Schüler auffordert, sich mit ihm auseinanderzusetzen und Stellung zu beziehen. Die Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, die sozialen Kompetenzen, Achtsamkeit sowie die Wahrnehmung der eigenen Emotionen und Bedürfnisse werden gefördert und gestärkt!

3. Umschalten

Trotzdem kann es auch bei einer Ich-Botschaft zu einem Widerstand des Schülers kommen. Vielleicht hat der Schüler sogar gleichzeitig ein Problem. In diesem Fall schaltet der Lehrer von der Ich-Botschaft auf aktives Zuhören um, um dem Schüler Raum zu geben, seinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen auf die Spur zu kommen. Anschließend wird er wieder seine Ich-Botschaft formulieren. Auf diese Weise werden die unterschiedlichen Bedürfnisse beider klar und eine Lösung kann gefunden werden.

4. Konfliktlösung ohne Niederlagen

In den vorangegangenen Beispielen lag das Problem immer nur auf einer Seite. Auch beim Umschalten war das zunächst so (Ich-Botschaft wird gesendet).

Wir alle kennen jedoch auch Situationen, in der mehrere Seiten gleichzeitig aufgrund ganz unterschiedlicher Bedürfnisse ein Problem haben. Diese Bedürfnisse können sich diametral gegenüberstehen. Dann handelt es sich nach Gordon um einen Konflikt!

Ein Schüler kann z.B. ein Problem haben, wenn er entgegen seiner sonstigen Gewohnheit seit Monaten nicht mehr übt. Damit kann nun wieder der Lehrer ein Problem haben.

Ist ein echter Konflikt vorhanden, der die Beziehung und den Unterricht sehr belastet, kann die Konfliktlösung ohne Niederlagen, auch Methode 3 genannt, gewählt werden. Dabei werden die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt und alle profitieren von einer Lösung. Im Gegensatz dazu stehen Methode 1 (Anwendung von Macht – Lehrer gewinnt den Konflikt) und Methode 2 (Anwendung von Milde und Nachgiebigkeit – Schüler gewinnt den Konflikt), die von Gordon abgelehnt werden als Mittel zur Konfliktlösung, weil es dort Sieger und Verlierer gibt.

Bei der Methode 3 gewinnen alle! Der Problemlöseprozess läuft in sechs Stufen ab und beinhaltet aktives Zuhören und Ich-Botschaften als Werkzeuge zur Klärung der verschiedenen Bedürfnisse.

Durch die Anwendung dieser Methode bleibt im Klavierunterricht die Lehrer-Schüler-Beziehung intakt und vertieft sich sogar noch. Konflikte werden gelöst. Methode 3 ist unabhängig vom Alter der Beteiligten und kann sogar auf non-verbaler Ebene (z.B. bei Babys) erfolgen!

Frei – offen – vielfältig

Das Gordon-Modell wird vor allem im Konfliktfall angewendet, bei dem mindestens einer der Beteiligten ein Problem hat. Gibt es kein Problem, reden wir so, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Wir erlangen große Freiheit in unserer Kommunikation, weil wir viel mehr Möglichkeiten von Aktion und Reaktion besitzen und entscheiden individuell, ob wir das Modell anwenden wollen oder nicht. Das Gordon-Modell schränkt nicht ein, sondern ist flexibel, vielfältig und offen. Es lohnt sich allerdings, die Haltung, die hinter dem Gordon-Modell steckt, zu verinnerlichen und über sich selbst und die jeweiligen Bedürfnisse zu reden. Viele Konflikte können von vornherein vermieden werden!

Kommunikation auf Augenhöhe

Als Klavierpädagogin habe ich von Anfang an hervorragende Erfahrungen mit dem Gordon-Modell gemacht. Die Kommunikation mit dem Schüler ist authentisch und klar – weder Schüler noch Lehrer müssen ihre Bedürfnisse zurückhalten. Unsere Sprache ist oft verschlüsselt und wertend und wir sind uns selbst nicht über unsere Bedürfnisse im Klaren. Die Anwendung des Gordon-Modells versetzt uns in die Lage, die verschlüsselten Botschaften zu dekodieren und uns selbst und den Anderen zu verstehen. Wir verstehen und werden verstanden. Dies gibt uns viel Handlungsfreiheit und Hemmnisse wie Schuldgefühle, Angst, Ärger, Verteidigung, Behauptung stellen sich erst gar nicht ein.

Menschen haben viele unterschiedliche Bedürfnisse, die zu Konflikten führen können. Das gilt auch für den Klavierunterricht. Jeder Klavierlehrer kennt Krisen, in denen andere Interessen des Schülers in den Vordergrund treten. Durch die Anwendung des Gordon-Modells werden solche und andere Konflikte nachhaltig geklärt. Die aufgewendete Zeit ist gut investiert, denn Konflikte belasten die Lehrer-Schüler-Beziehung. Eine gutes Verhältnis ist aber die Voraussetzung für ein Lehren und Lernen, das diesen Namen verdient und dem Schüler alle Möglichkeiten bietet, sich pianistisch und persönlich möglichst weit zu entwickeln.

Resümee

Die Anwendung des Gordon-Modells ist anspruchsvoll und fordert alle Beteiligten heraus. Als Gesellschaft sind wir Menschen eher lösungs- als bedürfnisorientiert, reden nicht gern über unsere Gefühle und bewerten und beurteilen andere Verhaltensweisen recht schnell. Es ist oft bequemer, über andere als über sich selbst zu reden. Die humanistische Psychologie setzt dem einen ganz anderen Ansatz und ein positives Menschenbild entgegen, das das Prinzip der Annahme sowohl der eigenen wie auch der fremden Bedürfnisse vertritt. Fast nebenbei lernt der Schüler Selbstreflexion, Selbstkontrolle, Kritikfähigkeit, soziales Verhalten, Achtsamkeit, Problemlösekompetenz  und erlangt Selbstbewusstsein.

Literatur

Mehr über das Gordon-Modell können Sie in den Büchern von Thomas Gordon („Familienkonferenz“)  oder in entsprechenden Kursen erfahren! Das Modell gibt es in vielen Variationen, z.B. im Business-Bereich („Managerkonferenz: Effektives Führungstraining“) und im medizinischen Sektor („Patientenkonferenz“). Ebenso wird es im pädagogischen („Lehrer-Schüler-Konferenz“) und sozialen („Gute Beziehungen“, Kurse für Jugendliche …) Fachgebiet angewendet.

Kurse zum Gordon-Modell und Verbesserung der Lehrer-Schüler-Beziehung

Ich biete Kurse zur Familienkonferenz nach Thomas Gordon für Eltern an, die ihre Beziehungen zum Partner, den Kindern u.a. verbessern wollen. Außerdem gebe ich Kurse für Klavierlehrer für eine klare Kommunikation und niederlagelose Konfliktlösung in der Lehrer-Schüler-Beziehung. Bei Interesse verwenden Sie bitte das Kontaktformular.

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