Lehrer-Schüler-Beziehung

Eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung ist die Grundlage jeden Unterrichts! In einer von Wertschätzung, Humor, Respekt, Vertrauen und Annahme getragenen Atmosphäre lässt es sich gut lernen! Der Schüler fühlt sich sicher, angst- und stressfrei und kann sich in musikalischer wie persönlicher Hinsicht weit entwickeln. Er erfährt den Unterricht als einen Ort, an dem er sich schöpferisch mit dem musikalischen Material auseinandersetzen darf und vom Lehrer immer wieder herausgefordert wird, musikalisch Stellung zu beziehen und eigene Gedanken und Ideen zu entwickeln.

Persönliche Entwicklung des Schülers

Die Freude am kreativen Tun, die zunehmende Selbstständigkeit, Selbstkontrolle und Problemlösekompetenz, das wachsende Verantwortungsbewusstsein lassen den Schüler sein Potential voll ausschöpfen und seine Grenzen immer wieder erweitern. Selbstreflexion, Kritikfähigkeit und Neugier führen zu einem hohen Grad an Eigenmotivation, Selbstbestimmung und Selbstvertrauen, das sich auch durch Misserfolge nicht erschüttern lässt – der Schüler erlangt musikalische und persönliche Reife.

Dass die Entwicklung dieser Fähigkeiten sehr wünschenswert ist, steht außer Frage. Die Frage ist allerdings, wie und unter welchen Bedingungen sich diese Fähigkeiten ausbilden!

Eins ist klar: Dirigismus erzeugt Abhängigkeit, Druck erzeugt Gegendruck. Wenn ein Schüler immer tut, was der Lehrer sagt, wird er keine Selbstständigkeit und eigene musikalische Persönlichkeit entwickeln. Wenn er sich ständig unter Druck fühlt, wird er nie Offenheit, Entspanntheit und Gelöstheit erfahren, die zum Klavierspielen und zur Entwicklung von Kreativität unbedingt nötig sind.

Und noch etwas ist klar: Selbstreflexion und Selbstbewusstsein können sich nur dann entwickeln, wenn der Schüler weiß, was  sein „Selbst“ ausmacht. Wenn er seine Gefühle und Bedürfnisse achtsam wahrnimmt, sich seiner selbst „bewusst“ ist, sich annimmt in seinen Stärken und Schwächen und freundlich mit sich umgeht.

Die humanistische Psychologie nach Carl Rogers

Aus diesen Gründen gestalte ich meinen Unterricht seit vielen Jahren nach den Grundsätzen der humanistischen Psychologie von Carl Rogers. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt und ist in ihrer Ausrichtung bedürfnisorientiert und personenzentriert!

Rogers Ansatz setzt die Prämisse, dass jeder Mensch die Fähigkeit und Tendenz besitzt, sich konstruktiv zum für ihn Positiven hin zu entwickeln und seine Probleme dabei selbstverantwortlich zu lösen. Der Mensch gelangt so zur Selbstverwirklichung.

„Keiner weiß besser, was ihm gut tut und für ihn notwendig ist, als der Betroffene selbst. Wir können einander also nicht beibringen, was für uns gut ist. Nicht mit noch so ausgeklügelten Techniken. Aber wir können einander dabei unterstützen, es selbst herauszufinden.“

(Schmid, Peter F.: Der personenzentrierte Ansatz Carl R. Rogers)

Dazu braucht der Mensch als Voraussetzung aufrichtige Beziehungen, die ihn annehmen, wie er ist, die ihn nicht bewerten oder verändern wollen. Im Kontakt mit solchen Personen kann er seine persönlichen Bedürfnisse und Wünsche wahrnehmen. Gleichzeitig wird er ungeahnte Möglichkeiten, Fähigkeiten und Ressourcen in sich entdecken und nutzen.

Die Lehrer-Schüler-Beziehung in der humanistischen Psychologie

Für den Unterricht bedeutet diese Einstellung, dass der Lehrer dem Schüler mit vollkommenem Vertrauen begegnet. Er traut ihm viel zu und begreift Misserfolge, Fehler und Krisen als Chance. Er nimmt jeden Schüler, wie er ist und begegnet unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen mit Geduld und Verständnis. Gleichzeitig agiert er flexibel und individuell und schafft eine fröhliche und entspannte Atmosphäre. Er hört dem Schüler aufmerksam zu und bietet ihm Hilfe zur Selbsthilfe an. Er lässt ihn experimentieren, forschen und Probleme so weit wie möglich selbst lösen.

Der Lehrer nutzt seine Autorität (Wissensvorsprung) nicht dazu, Macht auszuüben. Vielmehr liegt ihm daran, mit dem Schüler auf Augenhöhe als Team zusammenzuarbeiten. Auf diese Weise erfährt der Schüler seine Lernfortschritte als persönliche Erfolgserlebnisse und erlangt Selbstbewusstsein. Der Lehrer befindet sich dazu in feiner Interaktion mit dem Schüler und entscheidet, welche Impulse der Schüler in der momentanen Situation braucht.

Gleichzeitig hat der Lehrer ein gutes Gefühl für seine eigenen Bedürfnisse und Wahrnehmungen. Seine Bedürfnisse sind nicht weniger, aber auch nicht mehr wert als die des Schülers. Er formuliert sie klar und offen, ohne den Schüler zu verurteilen oder zu bewerten. Er weiß, dass in einer angespannten Atmosphäre nicht gelernt werden kann und geht mit Konflikten um, indem er die Bedürfnisse des Schülers und seine eigenen erkennt, benennt und mit dem Schüler gemeinsam und demokratisch Lösungen findet (win-win-Situation).

Eine solche Lehrer-Schüler-Beziehung bietet dem Schüler bestmögliche Chancen auf seine musikalische und persönliche Entwicklung. Gleichzeitig ermöglicht sie dem Lehrer, authentisch zu sein und sich nicht zu verbiegen. Eine klare und offene Kommunikation ist die Grundlage für eine solche Beziehung und gerade im Konfliktfall unentbehrlich.

Das Gordon-Modell

Thomas Gordon, ein Schüler Carl Rogers, hat ein Kommunikationsmodell entwickelt, das auf diesen Werten aufbaut und eine große Hilfe auch in der Lehrer-Schüler-Beziehung ist! Hier gebe ich einen Einblick in das Modell, das ich seit vielen Jahren im Unterricht anwende und mit dem ich hervorragende Erfahrungen gemacht habe!

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