Rhythmus (Musik)Rhythmus ist Leben, Rhythmus macht lebendig! Kraftvoll, pulsierend und schwingend gestaltet er nicht nur Musik, sondern auch unseren Lebensalltag.

Ohne Timing, Puls, Takt und Rhythmus können wir nicht existieren. Wir sprechen gern vom „Lebensrhythmus“ oder fühlen uns zuweilen „aus dem Takt geraten“. Gleichzeitig verzweifeln wir manchmal an unseren mangelnden rhythmischen Fähigkeiten beim Musizieren und wissen gar nicht, was diese Begriffe musikalisch überhaupt bedeuten.

Beides lässt sich ändern!

1. Lebensrhythmen 

Rhythmen verleihen unserem Alltag und unserer Umwelt Stabilität und Sicherheit, denn sie beziehen sich auf die Zeit und kehren in regelmäßigen Abständen wieder. Unser Leben verläuft in zahlreichen miteinander verwobenen Rhythmen: wir erleben Schlafrhythmen, Arbeitsrhythmen, die Rhythmen der Jahreszeiten, Wochen- und Feiertage, Rhythmen von Pulsschlag und Atmung u.v.a.m.

Schon im Mutterleib erfahren wir erste Rhythmen: wir hören den regelmäßigen Herzschlag der Mutter, lauschen dem Klang ihrer Stimme mit ihrer Sprachmelodie und ihrem Sprachrhythmus und erleben regelmäßige Abläufe von Wachen und Schlafen. Wir fühlen uns in dieser Abfolge sicher und geborgen und der Rhythmus verleiht uns emotionale Stabilität.

2. Rhythmus und Bewegung

Das Ungeborene reagiert mit Bewegungen auf Hörreize und so bildet Rhythmus auch die Grundlage jeder Bewegung. Gehen, Laufen, Hüpfen, Springen gelingen nur, wenn alle dafür nötigen Bewegungen und demzufolge Anspannung und Entspannung in einer angemessenen rhythmischen Abfolge ausgeführt werden. Rhythmus und Bewegung sind also eng miteinander verbunden. Denken wir nur an unseren Drang, sich zu rhythmisch geprägter Musik zu bewegen!

3. Rhythmus und Musik

„Die Erziehung zur Musik ist von höchster Wichtigkeit, weil Rhythmus und Harmonie machtvoll in das Innerste der Seele dringen.“

Platon

In der Musik bilden Rhythmus, Puls und Metrum (Takt) eine Einheit, die für das rhythmische Erleben eines Musikstücks verantwortlich ist. Schon in der ersten Unterrichtsstunde erfährt der Schüler, dass Töne unterschiedlich lang dauern und Lieder einen Puls besitzen. Doch wie definieren und unterscheiden sich diese Begriffe?

Rhythmus, Puls, Metrum

Zunächst ergibt sich der Rhythmus aus dem proportionalen Verhältnis der unterschiedlichen Tonlängen bzw. Tondauern. Er gliedert also die Zeit durch Aneinanderreihung von unterschiedlichen Notenwerten.

Dieser Rhythmus steht aber immer in Zusammenhang zu einem organischen Puls ähnlich einem Herzschlag! Die Eigenschaften dieses Pulses sind Gleichmäßigkeit und Unbetontheit. Dieser Puls fungiert wie ein Band, auf dem sich der Rhythmus in unterschiedlichen Tondauern bewegt. Puls und Rhythmus überlagern sich und sind abhängig voneinander.

Wenn nun auf diesen Puls Betonungen in regelmäßigen Abständen gesetzt werden, sprechen wir vom Metrum (Takt). Ein Metrum ist also ein Puls mit regelmäßigen, immer wiederkehrenden Betonungen und unterteilt ihn in regelmäßige Zeitabstände. Diese Zeitabstände werden visuell durch Taktstriche dargestellt. Es entstehen Takte.

Taktart

Am Anfang eines Stücks steht die Taktart, dargestellt durch einen Bruch: der Zähler gibt die Anzahl, der Nenner den Wert der zu einem Takt zusammengefassten Pulsschläge an. Verschiedene Taktarten haben unterschiedliche Schwerpunkte. Ein 3/4-Takt z.B. hat den Schwerpunkt auf der „1“, ein 4/4-Takt auf der „1“ und eine etwas leichtere Betonung auf der „3“, ein 6/8-Takt zwei Schwerpunkte auf „1“ und „4“. So bestimmt die Wahl der Taktart auch den Charakter eines Stücks – ein 3/4-Takt liegt z.B. Tänzen wie dem Walzer oder Menuett zugrunde und klingt tänzerisch und leicht, während ein Marsch oft im statischeren 2/4-Takt komponiert ist.

4. Rhythmusgefühl

Rhythmus stellt also ein wesentliches und grundlegendes Element von Musik dar. Deshalb ist im Klavierunterricht die Herausbildung eines guten Rhythmusgefühls und eines Gespürs von Timing sehr wichtig. Nur wie?

Zur Beantwortung dieser Frage kehren wir zurück zu der Feststellung, dass Rhythmus und Bewegung eng miteinander verbunden sind. Rhythmische Vorgänge sind Bewegungen in der Zeit – wir erleben also Rhythmus über Bewegung. Jeder von uns kennt das Bedürfnis, bei rhythmisch geprägter Musik (Tänze aller Musikrichtungen, afrikanische Trommelmusik, besonders geliebte Stücke und Songs) mit dem Fuß zu wippen, zu tanzen, zu klatschen… . Und so ist es es unbedingt nötig, zur Herausbildung eines guten Rhythmusgefühls Bewegung zu nutzen! Rhythmusgefühl ist etwas zutiefst Körperliches und so heißt es im Anfangsunterricht und auch später immer wieder: weg vom Klavier!

4.1 Puls selbsttätig erzeugen

Rhythmus

Mit unserem Körper erzeugen wir zunächst einen gleichmäßigen Puls in einem uns angenehmen Tempo. Wir können dazu federnd gehen, klatschen, tanzen, auf der Stelle gehen, mit den Armen schwingen, dirigieren u.v.a.m. Auch zu Musikstücken können wir uns auf diese Weise bewegen. So erzeugen wir den Puls selbst, erspüren seine Gleichmäßigkeit durch unsere Bewegung von innen heraus und werden ihn mit zunehmender Übung beim Hören und Spielen von Musik als ein gleichmäßiges, pulsierendes und alles verbindendes musikalisches Element wahrnehmen.

Den Puls von außen erzeugen zu lassen, sei es mit Hilfe eines Metronoms, eines klatschenden Lehrers o.ä. hilft nicht oder nur kurzzeitig, um ein Pulsgefühl zu etablieren! Erzeugen wir den Puls selbst, müssen wir ein Gefühl für Größe und Geschwindigkeit der Bewegung zwischen den Pulsschlägen entwickeln. Es heißt nicht umsonst Rhythmusgefühl! Wir können uns einen Dirigenten zum Vorbild nehmen, der einen Puls immer organisch und schwingend darstellt.

Das ist ganz das Gegenteil von einer Außensteuerung durch das Klicken eines Metronoms!

Zum Erspüren des Pulses ist besonders das Gehen eine wunderbar geeignete Methode! Einerseits haben wir dann zum Klatschen verschiedener Rhythmen die Hände frei, andererseits können wir dabei unser von Natur aus gleichmäßiges Gehtempo nutzen, das durch die natürliche Pendelfrequenz der Beine viel Energie spart und nicht anstrengend ist.

4.2 Rhythmus erleben

Rhythmus

Rhythmus, Puls gehenWir wählen also einen Puls aus, anfänglich in der Regel Viertel, und gehen geschmeidig und federnd in einem uns angenehmen Tempo.

Um nun den Rhythmus darzustellen, klatschen wir dazu zunächst einfache Notenwerte Rhythmus klatschen(Ganze, Halbe, Viertel, Achtel, Sechzehntel – im Beispiel werden zum Viertelpuls eine Halbe und zwei Viertel zu einer rhythmischen Einheit gruppiert). Auf diese Weise erleben wir Puls und Rhythmus ganzkörperlich – die beiden Ebenen der Füße und Hände sind kongruent zu den beiden Ebenen des Pulses und Rhythmus’.

Dieses Prinzip können wir erweitern, indem wir die Sprache hinzunehmen. Beispielsweise können wir Viertel gehen, Halbe klatschen, Achtel sprechen (dazu eigene Silben kreieren wie ta ta, ta ti, ti ti, ta ke ti na, da ga … oder Rhythmussprachen von Kodály , Flatischler u.a. verwenden) und immer neue Variationen erfinden.

Wir erspüren auf diese Weise die Notenwerte in ihrer unterschiedlichen Länge und ihrer Beziehung zum Puls. In der Folge kombinieren wir verschiedene Notenwerte miteinander, ordnen sie zu Gruppen und klatschen sie, während wir gehen. Besonders wichtig sind alle Kombinationen von Achteln, punktierten Achteln und Sechzehnteln, die auf ein Viertel (Puls) geklatscht werden können:

Diese rhythmischen Bausteine sind die elementarsten Unterteilungen eines Viertel-Pulsschlags, strukturieren einen Takt und können dann sofort erkannt und umgesetzt werden!

Zu alldem ist es nötig, auch die Notation der verschiedenen Rhythmen zu kennen.

Insgesamt sollte sich das Gehen und Klatschen federnd, fließend und schwingend anfühlen. Es sollte ein angenehmes und ganzkörperliches Erlebnis sein, bei dem wir die rhythmischen Elemente in einer freien und durchlässigen Schwingung von innen nach außen erfahren.

4.3 Metrum hinzufügen

Rhythmus

Um das Metrum mit seinen je nach Taktart unterschiedlichen Schwerpunkten wahrzunehmen, können wir beim Gehen des Pulses laut mitzählen (z.B. 4/4  1 2 3 4 | 1 2 3 4 ….). Wir fügen also die dritte Ebene des rhythmischen Erlebens sowohl musikalisch wie auch körperlich hinzu und strukturieren die zeitliche Gliederung in Takte. Wenn wir zählen, können wir natürlich keine Rhythmussprache verwenden.

Wir können dabei sehr flexibel vorgehen!

Zum Beispiel so:

  • wir konzentrieren uns auf die Taktschwerpunkte und erleben verschiedene Taktarten in ihrem Charakter (z.B. nur auf den  Taktschwerpunkten einen Schritt machen und die angegebenen Einheiten zählen – beim 6/8-Takt auf “1” und “4” gehen und zählen 1 2 3 4 5 6 | 1 2 3 4 5 6 | …. ). Später klatschen wir Rhythmen dazu.
  • wir gehen die Pulsschläge, zählen mit (Metrum) und klatschen Rhythmen dazu.
  • wir gehen die Pulsschläge oder nur die Taktschwerpunkte, zählen mit (Metrum) und klatschen für uns schwierige Rhythmen aus Stücken o.ä. (bei solchen Rhythmen hilft es auch, sich zunächst auf das Wesentliche zu konzentrieren und Teile wegzulassen).
  • wir klatschen die Pulsschläge, gehen die Taktschwerpunkte und sprechen den Rhythmus.
  • ….

Das Zählen zusammen (!) mit der ganzkörperlichen Empfindung von Puls und Rhythmus ist sehr hilfreich, um beim Musizieren genau zu wissen, auf welcher Taktzeit eine Note steht und welche Bedeutung dies ihr gibt. Töne auf betonten Taktzeiten haben beispielsweise eine andere Bedeutung als Töne auf unbetonten Taktzeiten. Zudem wird das Zählen auf diese Weise mit dem langsam sich etablierenden Pulsgefühl verknüpft und kann später ggf. auch beim Spielen eingesetzt werden. Reines Zählen funktioniert allerdings nur, wenn ein zuverlässiges Pulsgefühl existiert!

Alternativen

Dieses Grundprinzip der ganzkörperlichen Erfahrung von Puls, Rhythmus und Metrum können wir endlos erweitern. Es gibt viele Möglichkeiten, die wir kreativ nutzen können! Wir können neben Rhythmussprachen Bodypercussion benutzen, den Sprachrhythmus von Texten u.a.. Wie das geschieht und welche Methoden verwendet werden, hängt immer von Disposition, Persönlichkeit und Vorlieben des Schülers ab, die sehr unterschiedlich sind.

4.4 Verfeinerung

Die große ganzkörperliche Bewegung wird dann immer weiter verfeinert und verkleinert:

  • am Tisch sitzen und mit Füßen, Händen und Sprache verschiedene rhythmische Ebenen darstellen und hörbar machen.
  • im Stehen auf der Stelle laufen (Puls), dazu singen, klatschen, sprechen.
  • am Klavier sitzen, mit einer Hand den Puls auf das Bein, mit der anderen Hand den Rhythmus auf den Klavierdeckel klopfen und umgekehrt). Sprache oder Füße ggf. hinzunehmen.
  • am Klavier sitzen und mit mit einer Hand rhythmische Abfolgen spielen (kleine melodische Bausteine improvisieren oder Teile aus Stücken nehmen), mit der anderen den Puls auf das Bein klopfen. Das ist eine der wichtigsten Herangehensweisen!
  • mit dem Fuß den Puls klopfen.
  • auf das Sofa setzen, sich die Musik mental vorstellen und dazu den Puls klopfen.

Ein sicheres Gespür für Puls, Rhythmus und Metrum entwickeln wir dann, wenn wir rhythmische Vorgänge immer wieder in einer ganzkörperlichen physischen Aktion unter Beteiligung des kinästhetischen Sinns und der Sensomotorik erleben! Indem wir den Puls selbsttätig mit eigenen Bewegungen erzeugen, wird ein deutlicher, präsenter Puls etabliert und in Körper und Geist des Spielenden gespeichert. Das Ergebnis ist ein Klavierspiel mit klarer rhythmischer Struktur.

5. Ein Wort zum Metronom

  • ein Metronom (am besten digital oder über eine App, denn ein mechanisches wird mit den Jahren ungenau) ist wunderbar, wenn man wissen will, wie schnell eine notierte Tempoangabe ist (manche Komponisten geben zu ihren Werken explizit eine Metronomangabe an).
  • hilfreich ist ein Metronom ebenso, wenn man im Unterricht eine vorläufige Spielgeschwindigkeit festlegen will
  • ein Metronom ist wunderbar, wenn man ein Stück schon gut kann und kontrollieren möchte, ob man nicht zwischendurch unerwünscht eilt oder schleppt. Dabei reicht es oft, das Metronom in großen Einheiten (z.B. taktweise) mitlaufen zu lassen oder nur Phrasenanfänge zu kontrollieren.
  • ein Metronom ist also immer dann wunderbar, wenn es sich um das Tempo eines Stücks handelt!
  • ein Metronom ist absolut kontraproduktiv, wenn es der Behebung rhythmischer Schwierigkeiten und eines mangelnden Pulsgefühls dient! Das Klicken eines Metronoms hat nichts mit einer Schwingung zu tun und schon gar nichts mit körperlicher Bewegung. Rhythmusgefühl wird so nicht gelernt – oftmals merkt der Schüler sogar nicht, dass er ganz am Klicken vorbei spielt.

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