Musik und Gehirn: kaum eine andere Tätigkeit hat solche unmittelbaren Einflüsse auf das menschliche Gehirn wie das eigene Musizieren. Hirn, Herz und Motorik werden gleichermaßen angesprochen, vielfältige Sinneseindrücke miteinander verknüpft –Musik zu hören und Musik zu machen ist ein Urbedürfnis des Menschen.

Warum?

Unabhängig von Kultur und Sozialisation musizieren seit Anbeginn der Entstehung des Menschen alle Völker. Die menschliche Stimme wurde als Mittel zum Singen entdeckt, mit dem man Sprache und Musik miteinander verbinden konnte. Tänze wurden mit rhythmischen Klatschen von Händen, Stöcken, Ruten begleitet und schon der Neandertaler stellte erste Flöten, Rasseln und Trommeln her.

Ursprung der Musik

Die Musikwissenschaft glaubt, dass der Ursprung der Musik in der „Babysprache“ liegt, also der akustisch-gestischen Kommunikation zwischen Mutter und Säugling.

Bereits im Mutterleib nimmt der Fötus die Geräusche der Mutter wie z.B. das rhythmische Schlagen ihres Herzens wahr. Er hört in den letzten vier Monaten vor seiner Geburt ihre Stimme, ihre Schritte, ihre Atmung etc. Über den Gleichgewichtssinn, die Haut, die eigene Körperwahrnehmung erlebt er ihre Bewegungen. Er spürt die Verbindung dieser Vorgänge zu den Emotionen der Mutter und so haben diese Laut- und Bewegungsmuster bereits eine emotionale Qualität. Sie werden zur Grundlage für die Laut- und Bewegungsstruktur von Musik. Musikalität hat also ihren Ursprung in der vorsprachlichen und unbewussten Wahrnehmung. Bewegung und Emotionen werden durch Musik mit Klängen und Klangstrukturen verbunden.

Musik als Kommunikation

Musik war auch schon immer ein Mittel zur Kommunikation. Sie wurde zum Beispiel für Rituale, soziale Interaktionen und die Konversation mit den Göttern genutzt. Das hat sich in der heutigen Gesellschaft nicht geändert. Im Laufe der Zeit jedoch wurden alte Instrumente weiterentwickelt und viele neue Instrumente erfunden. Das führte zu ganz anderen Möglichkeiten von Klängen und Musik. Zahlreiche Musikstile bildeten sich heraus und die Musik hat sich zu einer Kunstform entwickelt, die in ihrer Variabilität und Bandbreite einzigartig ist.

Damit einher geht, dass das Musizieren ebenso vielfältig geworden ist und die Möglichkeiten praktisch unbegrenzt sind. Ob wir nun Klassik, Pop, Rock, Jazz, Volksmusik favorisieren, improvisieren, komponieren, Werke alter Meister interpretieren, ob wir Flöte, E-Bass, Cembalo oder Sitar spielen möchten, bleibt eine Frage des persönlichen Geschmacks und der persönlichen Bedürfnisse.

Musizieren verknüpft viele Teile des Gehirns

Da Musik so umfassend ist, Emotion, Kognition und Ratio, körperliche Bewegung und die Beteiligung aller Sinne zur Klangerzeugung miteinander verbindet, ist das Musizieren eine der anspruchsvollsten menschlichen Leistungen. Musik und Gehirn stehen in enger Verbindung von Geben und Nehmen, von Fordern und Fördern. Musikwahrnehmung beruht auf einem komplexen Zusammenspiel der Analyse von Tonhöhen- und Zeitstrukturen. Und so ist Musikalität anders als andere Fähigkeiten nicht in einer eng umrissenen Hirnregion angesiedelt, sondern beansprucht und verknüpft viele neuronale Netzwerke.

Bereits die erste Klavierstunde führt zur Vernetzung

„Bereits die erste Flöten- oder Klavierstunde führt zu Vernetzungen der motorischen Zentren und der Hörzentren im Gehirn. Nach drei Wochen Unterricht sind diese Netzwerke stabil und bleiben jahrelang erhalten.

Aber nicht nur Hören und Bewegen werden verschaltet. Auch die Sehzentren im Hinterhauptslappen und die Planungszentren im seitlichen Anteil des Stirnhirns sind beteiligt. Wir sehen ja unsere Hände sich bewegen und wir entziffern den Notentext. Musik machen ist auch immer mit dem Planen von Bewegungen verbunden, denn wir müssen ja mit den richtigen Fingern zum Beispiel bestimmte Tonlöcher abdecken oder Tasten anschlagen. Und natürlich sind auch die Emotionen mit dabei, die dann die Gefühlszentren tief im Innern des Gehirns aktivieren, in den Mandelkernen, im Akkumbenskern und im Mittelhirn.

Schon nach etwa einem Jahr Instrumentalunterricht lassen sich bei Schulkindern auch Veränderungen der Hirnstruktur nachweisen. Die Hirnforscherin Dr. Krista Hyde aus Boston zeigte, dass Kinder, die in der Woche circa zwei Stunden Klavier spielten, gegenüber nicht Klavier spielenden Kindern nach 15 Monaten eine größere Nervenzelldichte in den sensomotorischen Zentren der linken Hand und in den Hörregionen besaßen. Dies zeigte sich auch darin, dass diese Kinder feinmotorisch geschickter waren und ein präziseres Gehör hatten. Außerdem war die Nervenfaserverbindung zwischen beiden Hirnhälften, der sogenannte Balken, bei den Klavierkindern größer. Das heißt, dass beide Hirnhälften besser miteinander kooperieren.“

Prof. Dr. Eckart Altenmüller, Direktor des Institutes für Musikphysiologie und Musikermedizin der Musikhochschule Hannover in “Musik und Gesundheit” der Techniker-Krankenkasse           

Musizieren macht intelligent

Die Vernetzungen weiter Teile des Gehirns beim Musizieren haben Auswirkungen auf die Fähigkeiten des MusizierendenSpracherwerb, kognitive und soziale Intelligenz, Sensomotorik und emotionale Kompetenzen werden gefördert, Gehör, Gedächtnis, Ausdauer, Konzentrationsfähigkeit und Koordination geschult. Daneben macht Musik einfach glücklich! Glückshormone (Endorphine) und das „Kuschelhormon Oxytocin werden wie bei intensiven Liebeserlebnissen ausgeschüttet und bereiten den Boden für ein stabiles emotionales Gedächtnis. So können sogar hochgradig demente Menschen musizieren, begeistert alte Volkslieder singen oder früher gelernte Stücke auf dem Klavier spielen.

Eines aber sollte bei aller Begeisterung für die vielen positiven Auswirkungen von Musik und aktivem Musizieren nicht vergessen werden: Musik braucht keine Legitimation, Musik spricht für sich selbst.

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